Und stillschweigend sitzen wir da. Mutter steht auf, holt sich ein Glas Wasser. Setzt sich wieder hin ohne es zu trinken. Das Glas Wasser nun vor ihr auf dem Tisch. Wieder Ruhe. Ich höre die Atemzüge der anderen. Einatmen ausatmen. Stillschweigen. Jemand hustet, dann wieder Ruhe. Bin mir unsicher ob ich nicht doch etwas sagen sollte. All die Jahre. Jahre des schweigens. Jahre der schmerzen. Nochmal das husten. Dann sitzen wir wieder stillschweigend da. Ich weiß nicht wie lange schon. Mutter guckt ihr Glas an. Warum trinkt sie nicht? Es macht mich nervös. Will ihr das Glas wegnehmen. Stattdessen rühre ich mich nicht von der Stelle. Nur das atemgeräusch der anderen, mal ein tieferer Atemzug, dann wieder Ruhe.
Und dann stehe ich auf und lauf. Und ich schreie. All die Jahre aus mir heraus mit all den schmerzen. Endlich.

Überall heißt es, dass Narben zurückbleiben und Spuren hinterlassen. Und was ist, wenn wirklich Narben zurückbleiben. Manchmal kann man die Narben, die wirklich jeder sieht einfach vergessen. Manchmal verstecke ich sie aber auch. Narben bleiben, vielleicht für immer. Und es bedeutet mehr, als nur eine Erinnerung an alte Zeiten. Sichtbare Narben sind mehr. Für mich jedenfalls.
Irgendwie sind Narben aber auch eine schöne Metapher. Wenn man sagt, dass Narben zurückbleiben, dann bedeutet das, dass der Mensch davon geprägt wird. Narben gehen nicht mehr so leicht weg. Narben bleiben. Es steht also für etwas unauslöschliches. Und Narben zeigen die Verletzlichkeit des Menschen. Verheilt eine Wunde nicht richtig, oder war sie zu groß bleibt die Narbe. Sie bleibt.